16. Wie gründete ich meine eigene Firma?

Es war Ende August. Im Januar hatte ich meine Arbeit verloren und seither war ich immer wieder auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung. Leider erfolglos. Die Zeit verging sehr schnell und trotz meiner starken Anstrengungen war ich arbeitslos.

An einem Sommertag bekam ich die nächste Aufforderung eine Rechnung zu begleichen. Seit längerer Zeit konnte ich es aufgrund von Geldmangel nicht machen. Nach einigen Wochen erhielt ich wieder einen Mahnbrief. Anfang August wurde mir die letzte Aufforderung zur Bezahlung zugeschickt.  Ich wurde auch benachrichtigt, dass es aus meiner Schuld zu einer Zwangseintreibung kommen würde, wenn ich die Rechnung nicht innerhalb von sieben Tagen bezahlen würde.

***

Ich begann noch eifriger als bisher zu beten und um eine Arbeit zu bitten. Ich bat mit Hilfe der Heiligen Schrift und las und überlegte häufig über das folgende Fragment des Evangeliums, das für mich zum letzten Hoffnungsanker wurde:

„Später erschien Jesus seinen Jüngern noch einmal am See von Tiberias. Das geschah so: Simon Petrus, Thomas, der Zwilling genannt wurde, Nathanael aus Kana in Galiläa, die beiden Söhne des Zebedäus und zwei andere Jünger waren dort zusammen.

Simon Petrus sagte: »Ich gehe jetzt fischen!« »Wir kommen mit«, meinten die anderen. Sie stiegen ins Boot und fuhren hinaus auf den See. Aber während der ganzen Nacht fingen sie keinen einzigen Fisch.

Im Morgengrauen stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger erkannten ihn nicht.

Jesus rief ihnen zu: »Kinder, habt ihr ein paar Fische zu essen?« »Nein«, antworteten sie. Da forderte er sie auf: »Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, dann werdet ihr einen guten Fang machen!« Sie folgten seinem Rat und fingen so viele Fische, dass sie das Netz nicht mehr einholen konnten. (…)

Jetzt sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: »Das ist der Herr!« Kaum hatte Simon Petrus das gehört, zog er sein Obergewand an, das er während der Arbeit abgelegt hatte, sprang ins Wasser und schwamm an das Ufer.

Die anderen Jünger waren noch etwa hundert Meter vom Ufer entfernt. Sie folgten Petrus mit dem Boot und zogen das gefüllte Netz hinter sich her.

Als sie aus dem Boot stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer, auf dem Fische brieten. Auch Brot lag bereit.

Jesus bat die Jünger: »Bringt ein paar von den Fischen her, die ihr gerade gefangen habt!«

Simon Petrus ging zum Boot und zog das Netz an Land. Es war gefüllt mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen. Und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht.

Kommt her und esst!«, sagte Jesus. Keiner von den Jüngern wagte zu fragen: »Wer bist du?« Aber sie alle wussten: Es ist der Herr.

Jesus ging auf sie zu, nahm das Brot und verteilte es an sie, ebenso die Fische.

Dies war das dritte Mal, dass Jesus sich seinen Jüngern zeigte, nachdem er von den Toten auferstanden war. (Johannes 21, 1-14)

Mein Gebet
Jesu, deine Begegnung mit den Jüngern am See von Tiberias gleich nach der Auferstehung,  zeigt die besondere und unbegrenzte Liebe Gottes zum Menschen. Aus Deinem Wort kann ich herauslesen, dass du auch mir deine Vatersorge gibst. In meiner schwierigen Lebenslage ist es für  mich besonders wichtig und wertvoll. Jeden Tag stelle ich mir vor, dass Du vor mir stehst und mich fragst:
-„Mein Kind, hast du etwas zum Essen?”
-„Ja, Herr, ich habe noch etwas”- antworte ich und sage: „Ich habe noch ein bisschen, aber es geht zu Ende.” Ein anderes Mal spreche ich: „Nein, ich habe nichts mehr.”
Die von Dir gestellte Frage bewegt mich ganz tief und macht auf mich einen großen Eindruck. Es ist mir bewusst, dass Du alleine immer für mich sorgst und vor mir stehst, um mir dieselbe Frage zu stellen. Du willst mit mir nicht nur einen Dialog führen, aber vor allem willst Du, damit ich Dir alle meine Bedürfnisse anvertraue, weil Du – als guter Gott, Vater und Freund – sie befriedigen willst.
Ich habe bemerkt, dass die Jünger nicht zu Dir rufen. Um einen gelungenen Fang beten sie auch nicht. Sie schweigen, sind müde und hungrig. Jesu, Du bist der erste, der die Initiative zeigt und das ist eine sehr rührende Szene. Du kommst ganz von dir selbst zu den Jüngern bevor sie ihre Gebete aussagen. Du kommst und stehst vor ihnen ganz unerkannt… Du kommst mit einem guten Ratschlag, was sie tun sollen. Es geht nur darum, dass sie Deine Stimme hören wollen und dann Deinen Ratschlag folgen und verwirklichen. Es ist doch nicht zu viel… Nur Deine Stimme hören wollen….    Jesu, Du bist sehr klug und vorausschauend. Du weißt, was wir brauchen, bevor wir Dich darum bitten. Ich hoffe, dass Du mir auch bald zeigst, wohin ich „das Netz werfen” soll, um „einen guten Fang zu machen” und die schwierige Situation zu überstehen.
Ich glaube, dass Du auch dich auch nun noch so verhältst, wie Du es getan hast, als Du auf der Erde im menschlichen Körper lebtest. Ich bin sicher, dass Du auch in meinem Leben das gleiche Wunder vollziehen kannst, das Deine Jünger gesehen hatten. So warte ich  auf Deine baldige Ankunft und Deine Gnade. Lass mich nur Deine Stimme hören… Amen.

***

Am frühen Vormittag eines Augusttages hatte ich vor etwas Wichtiges zu erledigen. Also verließ ich die Wohnung und ging zum Aufzug. Ich erblickte Frau Irene, die gerade ausstieg. Ich habe sie am Anfang meines Aufenthalts in der Hauptstadt kennengelernt.  Sie arbeitete damals als eine Hauptbuchhalterin in einer Firma, in der ich meine erste Arbeit bekommen hatte. Ich konnte auf sie immer rechnen, mehrmals kam sie mir zu Hilfe, wenn ich etwas brauchte. Unsere Freundschaft dauert bis heute an.

Hör mal – begann Frau Irene- ich habe mich gerade mit meinem alten Bekannten getroffen, der bisher Direktor an einer Grundschule war und gerade in den Ruhestand gegangen ist. Bei dieser Gelegenheit habe ich ihn gefragt, ob seine Schule zufällig einen Englischlehrer bräuchte. Meiner Meinung nach, wenn du Englisch kannst, könntest du versuchen, in der Schule zu lehren.

Wir gingen langsam zum Aufzug und fuhren ins Erdgeschoss runter. Frau Irene sprach währenddessen:

-Von diesem Bekannten bekam ich eine Telefonnummer der neuen Direktorin und ich rief da sogar bereits an. Sie sucht tatsächlich dringend nach einem Englischlehrer. Ich habe hier- sie nahm aus der Handtasche einen kleinen Zettel heraus- ihre Nummer. Sie bat dich, morgen Vormittag anzurufen.

Schweigend hörte ich Frau Irene zu, die dabei war mich zur der Arbeit in der Schule zu überreden und mir dessen Vorzüge vorstellte.

-Du wirst eine feste Arbeit, Versicherung und finanzielle Mittel für den Lebensunterhalt haben.

Ich gab ihr Recht, obwohl mir vorher kein Gedanke in den Sinn kam, als Lehrer zu arbeiten. Nachdem wir uns verabschiedet hatten, begann ich darüber intensiv nachzudenken, was Frau Irene gesagt hatte.

-Ich sollte eigentlich gar nicht meckern und Vor- und Nachteile abwägen. Ich musste irgendeine Arbeit haben, denn ich musste endlich wieder Geld verdienen – sagte ich zu mir selbst.

Am nächsten Tag rief ich die angegebene Nummer an. Die Direktorin schlug mir vor, noch an diesem Tag sich mit ihr zu treffen. Sie erwies sich als eine sympathische und freundliche Person, die bereit war, mich ab sofort einzustellen. Doch meine Lehrtätigkeit an der Schule bedurfte der vorherigen Zustimmung des Bildungs- und Erziehungsamtes.  Aber –so behauptete die Direktorin-  es sollte nichts im Weg stehen. Wir verabredeten uns, dass ich sie in einigen Tagen anrufen sollte. 

Als wir uns wieder trafen, war sie ratlos.

-Es tut mir Leid, aber das Schulamt gab keine Zustimmung zu Ihrer Beschäftigung. Sie haben keine pädagogische Ausbildung und keine spezielle Vorbereitung  zum Beruf als Lehrer.

Nachdem ich das Schulgebäude verlassen hatte, ging ich zu Frau Irene, die gegenüber der Schule wohnte.

-Es ist furchtbar – bedauerte sie – so lange suchst du nun nach einer Arbeit und wieder wird nichts draus. Ich hatte Hoffnung, dass es dir diesmal gelingt. Es schien doch alles auf dem besten Weg zu sein.

-Machen Sie sich keine Sorgen! Ich glaube, dass Gott weiß, was Er tut. Er hat alles im Griff und ich bin sicher, dass Er mir bald eine Arbeit gibt.

-Dies wünsche ich dir!

***

Auf diese Weise endete ein weiterer Versuch einen Arbeitsplatz zu finden mit einer Niederlage. Ich dachte mir: Was für einen Sinn hatte dieses Ereignis?

-Was willst Du, Herr, mir dadurch sagen? Was willst Du mir beibringen?- fragte ich an diesem Tag im Gebet.

Bald danach kam ein Gedanke auf:

-Zwar kann ich nicht als ein Schullehrer arbeiten, doch vielleicht könnte ich Sprachkurse für Kinder führen?!

Schnell nahm ich wieder Kontakt mit der Direktorin auf und stellte ihr meinen Vorschlag vor.  Es stellte sich heraus, dass es keine Hindernisse für mich gab, in ihrer Schule Sprachkurse zu leiten.  Die Direktorin bot mir gern ihre Hilfe bei der Organisation der Kurse an und gab mir einige interessante Gedanken und Ideen. Gerade nun, einige Tage später, d.h. am Montag, dem 3. September, sollte das neue Schuljahr beginnen und es war eine wunderbare Möglichkeit, sich an diesem Tag mit den Eltern zu treffen und Englisch- und Deutschunterricht anzubieten.

-Ich werde glücklich sein, wenn sich wenigstens einige Kinder für den Kurs einschreiben – seufzte ich tief und schaute auf die sehr große Menschenmasse, die sich vor mir durch den Schulkorridor wälzte. An diesem Tag gab ich hauptsächlich nur Informationen an interessierte Eltern weiter.

Am nächsten Tag wurden zehn Kinder eingeschrieben. Am 5. September hatte ich bereits 25 Namen auf meiner Liste und auch während der nächsten Tagen meldeten sich neue Schüler an. Zu meiner Freude zeigte sich bald, dass die Zahl der lernbegierigen Schüler größer war, als ich erwartet hatte.  Insgesamt wurden über sechzig (60!) Kinder eingeschrieben! Da das Interesse an meinem Angebot sehr groß war, wurde mir während der Einschreibungen klar, dass ich ein Unternehmen gründen musste, um ungehindert  Sprachkurse führen zu können.

Also kann man sagen, dass ich  an diesen Tagen über sechzig  „Fische in meinem Netz” gefangen habe. Das waren die ersten Kunden des von mir damals begründeten Unternehmens.

Die anderen Ereignisse, die damit verbunden waren, habe ich auch im Zeugnis „Sieben Tage” beschrieben.

Danke, Jesu!